«Armando!! - Wo steckt der Kerl bloss?!»

Darf ich vorstellen: Unsere drei imaginären Diener – Oder: Wie Eltern Schimpfen spielerisch umgehen und in der Message dennoch glasklar bleiben können.

 
 

Kinder kommen mit einem grossartigen Gespür für Grenzen und Gerechtigkeit auf die Welt, aber leider ohne Manieren. Und wenn sie schon welche haben, sind sie manchmal so mit allen Sinnen in ihrer eigenen Welt unterwegs, dass für Höflichkeitsformen oft schlicht und einfach kein Platz mehr bleibt.

Bei uns zuhause war und ist das immer noch oft der Fall. Am Tisch klingt das dann beispielsweise so:

«I bruuch Salz!»

«I han Durscht.»

Oder kurz vor dem Sporttraining: «Wo sind mini Turnschueh!!!»

Doch was bei einem Kleinkind eine Errungenschaft ist (das Kind spürt, dass es Durst hat und streckt uns sogar seinen Becher hin, um seine Worte zu unterstreichen – toll!), kommt bei einem Schulkind schlicht unhöflich daher.

Die Herausforderung für mich als Mama erscheint gerade in Situationen rund ums Essen der Quadratur des Kreises gleichzukommen: Ich will die friedliche Stimmung am Tisch nicht kaputt machen und gleichzeitig will ich meinen Kindern vermitteln, dass das Zusammenleben so nicht funktioniert, dass ich keine Dienerin bin, die Befehle entgegennimmt, und überhaupt, dass sie doch mittlerweile alt genug sind, um sich selbst Wasser einzuschenken oder das Salz in der Küche zu holen.

In solchen Situationen hilft mir oft der Zauber des Spiels, beides und noch mehr vermitteln zu können – und nein, es ist dieses Mal nicht Fräulein Rottenmeier, die mir unter die Arme greift. Es sind unsere drei Diener Armando, Alfonso und Alberto, deren Namen wir Linard Bardills Lied «Die drei Pirate» entlehnt haben.

Wenn also ein Befehl wie «I bruuch Salz!» in meine Richtung losgeschickt wird, dreh ich mich ganz erstaunt nach hinten um (also in die Richtung, in der der Befehl an mir vorbeigesaust ist) und rufe:

«Armando, das Kind braucht Sa-halz!» Und zwei Sekunden später: «Dunnertoria, wo steckt der Kerl bloss?!? Er hat doch nicht schon wieder einen freien Tag bezogen??!»

Oder wenn einem meiner Kinder wie so oft beim Durchrauschen des Eingangsbereichs unseres Hauses die Kleider vom Leib gefallen und an Ort und Stelle auf dem Boden liegen geblieben sind, während das Kind schon friedlich im Zimmer am Spielen ist:

«Sag mal, mein Kind, ist er wieder in den Ferien? … - Wer? … Na, Alberto! Du hast ihm doch sicher aufgetragen, im Eingangsbereich deine Sachen aufzuräumen, aber der Kerl hat das immer noch nicht erledigt!!»

Oder wenn mir das Fehlen der Turnschuhe zusammen mit dem unausgesprochenen Befehl, eben diese zu suchen, mitgeteilt wird («Mama!!! Wo sind meine Turnschuhe!!?») klingt das in etwa so:

«Alfonso!!! Könntest du bitte die Turnschuhe des Kindes bringen? … Aber bitte dallidalli! … Goppaletti, ist der Kerl schwerhörig, oder was?!»

Meine Kinder und auch die Kinder zahlreicher Eltern, die ich begleiten durfte, lieben diese imaginären Diener, weil es schlicht lustig ist, die Mama in einer anderen Rolle zu sehen, und sie sich liebend gerne in ein solches Rollenspiel einladen lassen (im Sinne von: «Ja, Mama, der ist doch heute Morgen weggefahren…»).

Aber unsere drei Diener sind nicht nur zum Spass hier: Sie erlauben meinen Kindern auch, ihre Würde zu wahren.

Denn in den aller-allermeisten Fällen ist es so, dass (meine) Kinder es besser wissen und besser machen woll(t)en als das, was sie von innerhalb ihrer kindlichen «Ich-bin-grad-in-meiner-Welt-und-alles-andere-ist-unwichtig»-Blase gerade an Verhalten an den Tag legen konnten. Und deshalb sind sie im ersten Moment oft beschämt, wenn wir sie auf eine Unzulänglichkeit hinweisen.

Alfonso und Co. erlauben es ihnen, spielerisch darauf einzugehen oder nochmals einen Anlauf zu nehmen: «Oh, ich hab ganz vergessen, meine Kleider aufzuhängen!»

Oder: «Ach, richtig, der ist ja in den Ferien – ich hol das Salz in diesem Fall selbst!» Oder: «Ach, das nervt so, dass er sich immer frei nimmt – könntest du nicht bitte… Mein Spiel hier ist grad soo spannend…» - Und ja, das kann ich: Denn offensichtlich hat mein Kind verstanden, dass ich keine Dienerin bin, die Befehle entgegennimmt, sondern eine Mama, die ihren Kindern gerne einen Gefallen macht.

Wenn wir es als Erwachsene also schaffen, solche Situationen ins Spiel zu bringen, hilft uns die Magie des Spiels nicht nur dabei, die friedliche Stimmung zu Tische zu bewahren und unsere Message glasklar rüberzubringen – Spiel nährt in solchen Situationen sogar noch die Beziehung zwischen uns.

 
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«Ich bin nicht okay, so wie ich bin»