ICH bin ICH

Die drei Worte «Ich bin Ich» begleiten mich schon lange, in den letzten Monaten bin ich aber so oft über sie gestolpert, dass es Zeit wird, über die verschiedenen «Ich bin ichs» in meinem Leben zu schreiben.

Das kleine Ich-bin-Ich

Da ist zum einen Das kleine Ich-bin-Ich von Mira Lobe, das mein Sohn diesen Herbst in der ersten Klasse kennen gelernt hat: Ein kleines, buntes und nicht näher bestimmbares Wesen (ein Tier), das auf der Suche nach seiner Identität andere Tiere fragt, ob sie wissen, wer es sei. Niemand kann seine Frage beantworten, weder der Frosch noch das Pferd noch der Fisch, bis sich das kleine bunte Tier fragt: «Ob’s mich gar nicht gibt?» Die eigene Existenz derart in Frage gestellt, realisiert es: «Sicherlich gibt es mich: Ich bin ich!».

Was für ein wunderbares Buch, um mit Kindern über die eigene Identitäts-Suche zu sprechen und zu philosophieren! Und was für ein Prozess, was für eine Erkenntnis: «Ich bin ich!» – nicht mehr und nicht weniger. Und das nicht mehr und nicht weniger ist hier durchaus wortwörtlich gemeint: der Begriff Individuum kommt von Lateinischen in (un-, nicht) und dividere (zer-teilen) und meint somit das, was nicht weiter teilbar ist, die kleinstmögliche Einheit also.

 

«Ich bin ich» von Rosenstolz

Etwas länger schon begleitet mich das «Ich bin ich» von Rosenstolz. Vor allem die Zeilen «Ich muss mich jetzt nicht finden, lass mich nur nicht verlier'n» hatten es mir Ende der Nuller-Jahre angetan. Und dann natürlich der Refrain: «Ich bin ich - das allein ist meine Schuld» – und zwar nicht als Entschuldigung oder Entmutigung gemeint, sondern als Ermutigung und als Bestätigung: Ich kann nicht ich sein, ohne dass ich diejenige bin, die mich zum ich gemacht hat. Natürlich prägt einem die Familie und die eigene Geschichte (und noch vieles mehr), aber um von Herzen sagen zu können, dass ich ich bin, muss ich auch die Verantwortung für mich übernehmen. Das hat etwas Einsames, aber dieses Alleinsein bringt die Unteilbarkeit unweigerlich mit sich.

 

«I bin i» von Marius und der Jagdkapelle

Als Heimweh-Appenzellerin gefällt mir natürlich auch das «I bin i» von Marius und seiner Jagdkapelle. Auch hier sind ganz viele Tiere im Spiel resp. im Lied, das sich um ein Mädchen dreht, das gerne schlau wäre wie ein Fuchs, flink wie ein Wiesel und fleissig wie eine Biene… - «Aber denn stoht sie hi und lueged uf z’mol ganz glücklich dri: I bin i – da rüeft si – und i muess eigentlich nünt anders si.» - Wunderbar, wie Marius die erleichternde und erhebende Erkenntnis musikalisch untermalt – unbedingt hörens- und mitsingwert, auch für Nicht-Appenzeller!

 

«Ich bin ich» von Mira aus dem fliegenden Haus

Mira aus dem fliegenden Haus haben wir erst vor ein paar Monaten entdeckt und seither verfolgen wir, wie sie zusammen mit ihrem sprechenden Kater Kopernikus und der rappenden Maus MCPieps die ganz grossen Fragen stellt und beantwortet. Das heisst, wir folgen ihrem sehr empfehlenswerten Podcast und tanzen und bouncen auf dem Trampolin zu ihrem Soundtrack «Ich bin ich» (Empowerment pur - hör selbst!):

«Glaub mir du bist gut so, egal was sie sagen
Du bist gut so, wie du bist!
Geh da raus und wenn sie dich fragen
sagst du ganz laut: Ich bin ich!»

 

«Ich bin ich» im bindungsbasierten Entwicklungsansatz

Wer unseren Podcast verfolgt, gestern mit uns in den Grossen Elternkurs gestartet ist oder an unserem Webinar zum Thema Reifwerdung (25. Januar) teilnimmt, der weiss, dass Identität ebenso mit Reifwerdung (Stichwort Emergenz!) wie auch mit Bindung zu tun hat: Erst eine tiefe Bindung ermöglicht unseren Kindern den Freiraum, um ihre Persönlichkeit zu entfalten und zu festigen. Oder anders gesagt: Kinder müssen darauf vertrauen können, dass wir auch dann mit ihnen verbunden bleiben, wenn sie uns ihr Innerstes mitteilen (und uns das bspw. gar nicht passt, weil es ihre Loyalität oder unsere Werte in Frage stellt). Nur wenn sie diese Sicherheit haben, werden sie sich getrauen, zu erforschen und ans Licht zu holen, wer sie wirklich sind.

Für Teenager gilt dies ganz besonders: Der Prozess der Individuation, der uns zu einem Individuum macht und uns zu einer (gemäss James E. Marcia) «erarbeiteten» Identität (anstelle einer übernommenen oder diffusen) führt, ist eine der Kernaufgaben der Adoleszenz (auf die ich in meinem Kurs Teenager verstehen ausführlich eingehe).

 

«Ich bin ich» als Mantra

Ja, und schon länger verfolgt mich «Ich bin ich» (Soham in Sanskrit) als Mantra. Es erdet mich, bringt mich in meinen Körper, verbindet mich mit mir selbst und lässt mich wissen: Ich bin ich – nicht mehr und nicht weniger; ich bin genug, nicht perfekt, aber vollkommen – oder in Marius‘ Worten:

«und i muess eigentlich nüt anders si».

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“sag Entschuldigung!”

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