Und auch wenn ich manchmal stolpere…

Reflexionen rund um die Herausforderungen des «Mutter-Seins» - Oder: Wie ich damit umgehe, wenn ich aus dem Tritt gerate und stolpere

 
 

Die allermeisten meiner Kursteilnehmenden sind Frauen. Und auch in Beratungen kommen meist Mütter, selten beide Eltern und noch seltener Väter alleine. Und deshalb erlaube ich mir, diese Zeilen aus der Perspektive der Mutter zu schreiben – vermutend und vielleicht auch wissend, dass all das wohl auch für viele Väter zutrifft:

Manchmal - und manchmal auch sehr oft - ist es ganz schön viel, was wir Mütter von uns erwarten und was von uns Müttern erwartet wird. Nicht dass jemand daran zweifeln würde, dass wir unsere Kinder «durchkriegen» und auch sie einst das Erwachsenen-Alter erreichen – diese Last tragen die meisten Mütter in unseren Breitengrad nicht mehr (im Vergleich zu früheren Epochen oder anderen Weltgegenden).

Aber ganz abgesehen davon sind die Anforderungen an uns Mütter ins unermessliche gestiegen und wurden gleichzeitig auch unermesslich vielfältig. Und kommt dazu: «Nur Mutter-Sein» alleine reicht meistens und den meisten nicht aus, aus Gründen, auf die ich hier nicht eingehen kann.

Doch «nur» schon dieses Mutter-Sein selbst ist unglaublich komplex geworden: Es gibt so viele verschiedene Ansätze, wie wir Kinder erziehen, ernähren, pflegen, kleiden, sozialisieren oder fördern können - und überall werden die Latten unerbittlich hoch gesetzt:

Alles bio und selbstgekocht, am besten gleich im eigenen Garten gezogen, kein Plastik und keine Weichmacher, Instrumentalunterricht ist wichtig, aber Schwimmen will auch gelernt werden, ebenso wie Skifahren, Töpfern, Tanzen und und und auch - wir wollen unseren Kindern ja nichts verbauen und alles ermöglichen!

Und das alles wird auch noch überlagert von den Verlockungen eines unglaublich ausgeklügelten Marketings, dem unsere Kinder ausgesetzt sind, und vor allem von den überall lockenden Bildschirmen, den Untiefen von Social Media und einer unbeschränkt verfügbaren und nie endenden Vielfalt an Hörbüchern, Serien und Games. Die makellosen Insta-Moms, die das alles auch noch in hübsch dekorierten Stuben und vor chic gekleideten Kindern inszenieren, lassen wir hier einfach mal weg.

Und als sei das nicht genug, wird das alles bei den meisten von uns auch noch vom Wunsch überstrahlt, es anders zu machen als die Generation(en) vor uns: Ohne Schimpfen, Bestrafen oder Beschämen – also ohne körperliche, psychische oder emotionale Gewalt - und ohne dass wir unsere eigenen Themen und Baustellen an unsere Kinder weitergeben, …

… weil wir aus eigener Erfahrung wissen, wie erdrückend solche Lasten sein können (und vielleicht auch, weil wir selbst noch von diesen Last be- und manchmal vielleicht auch er-drückt werden und am Verstehen und Integrieren sind….).

Es erstaunt also nicht, wird vielen von uns «nur» schon wenn’s ums Mutter-Sein geht Sturm – und eben: Von all den anderen Anforderungen wie Berufstätigkeit, Aussehen, Hobbies etc. sprechen wir hier gar nicht…

Kein Wunder also, dass uns manchmal schwindlig wird.

Und kein Wunder, dass wir auf unserem Weg ab und an ausser Tritt geraten und auch mal stolpern – dass wir laut werden, schimpfen oder verletzten, dass wir Prioritäten falsch setzen und unseren Anforderungen an uns selbst nicht entsprechen.

Mir geht das so.

Und den allermeisten Müttern, die ich kenne, geht es auch so.

Ist das schlimm?

Ist das Grund, nun auch noch die Last des schlechten Gewissens auf unsere Schultern zu laden… -

… oder wie bitte schön sollen wir damit umgehen?!?

Nun, auch hier gibt es bestimmt unermessliche viele Antworten.

Hier ist meine:

  • Ich halte inne.
    Vielleicht gelingt mir das nicht just in der Stolper-Situation drin, aber vielleicht eine halbe Stunde später oder spätestens am Abend, wenn alles schläft.

  • Ich gehe mit den Gefühlen zu meinem Stolpern und betrauere, dass ich aus dem Tritt geraten bin und was es ausgelöst hat bei meinen Kindern oder in meinem Umfeld (und ja, das schmerzt) …

… und dann schau ich mir an, was gefehlt hat in dem Moment. Das lenkt das Bewusstsein in Richtung Ressourcen und in Richtung Lösung und öffnet mein Herz nicht nur für meine Kinder, sondern auch für mich.

  • Und dann zoome ich raus. Versuche mich von aussen oder oben auf meinem Weg zu sehen…

…. und dann sehe ich, dass die Richtung im Grossen und Ganzen stimmt…

… und ich erkenne, wie inspirierend und stärkend es für Kinder oder Jugendliche ist zu erleben, dass auch ich als Mama lerne und wachse und dass ich mich all dem stelle und auch dort hinschaue, wo es weht tut.

  • Und wenn ich es noch nicht getan habe, dann geh ich zu meinen Kindern hin und sage «Sorry» (darauf wie wir das tun sollten, gehe ich in meinem nächsten Blog-Eintrag ein).

 

Diesen Weg gehe ich, wenn ich ausser Takt gerate. In der Kurzfassung oder wie es Gordon Neufeld einst in etwa formuliert hat…

«Und auch wenn ich stolpere,
so weiss ich wenigstens,
dass ich in die richtige Richtung stolpere.»

 

Foto: Pars Sahin, Unsplash

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