Bindungs-Reparatur

 

Ein Baby in unserem Umfeld war noch kein Jahr alt, als es einen schweren Infekt hatte und intravenös Antibiotika brauchte. Das bedeutete fast tägliches untersuchen, «stechen», Infusion neu legen und das kleine Ärmchen zu schienen. Ich weiss nicht, wer mehr gelitten hat, die Mutter, die das Baby für die Prozedur festhalten und das heftige Geschrei aushalten musste, oder das Baby, dem man ja nichts erklären konnte und das jeden Tag aufs Neue geplagt wurde.

Solche und ähnliche Geschichten gibt es immer wieder einmal. Und so dankbar wir ja für unsere Medizin und die lebensrettende Behandlung sind, so ist es doch oft für Mutter und Kind nicht so einfach das Geschehene zu verarbeiten.

Ein Baby oder Kleinkind erlebt, wenn es z.B. unter Zwang festgehalten werden muss, Gewalt. Und diese Gewalt kommt ausgerechnet von jener Person, von der es eigentlich Rettung erwarten würde, von jener Person, der es am meisten vertraut. Und in der Regel erhält es auch danach genau von jener Person Trost und das ist auch gut so! 

Als Mutter oder Vater geht es einem gar nicht viel anders. Man wird gezwungen, etwas zu tun und zuzulassen, (festhalten unter Zwang, Schmerzen zufügen) was man instinktiv mit allen Mitteln verhindern möchte.

Leider lassen sich solche Situationen aber nicht immer verhindern. Doch die gute Nachricht ist, das Bindungsgehirn eines grundsätzlich sicher gebundenen Kindes wird sich selbst «reparieren» können. Für diese Bindungsreperatur, wie die Trauma-Therapeutin und Autorin Dorothea Weinberg das nennt, braucht es ein paar ganz einfache Zutaten:

-        Liebevoller Trost mit Dingen die dem Baby / Kind bekannt sind und ihm Sicherheit geben. Das kann Tragen sein, Singen oder Summen, ein Kuscheltierchen, …

-        Zum Stressabbau weinen viele Babys und Kleinkinder und auch grössere Kinder. Dieses Weinen sollten wir nicht mit allen Mitteln «abstellen» versuchen, sondern vielmehr liebevoll begleiten. Tränen reinigen und müssen manchmal einfach sein, bevor man dann wieder neuen Mut schöpfen kann.

-        Viel Ruhe und körperliche Nähe und bei grösseren Kindern die Botschaft, dass das schwierige jetzt vorbei ist.

-        Möglichst keine erneuten Trennungserfahrungen in der nächsten Zeit. Ev. braucht das Kind für eine Weile auch (wieder) nachts die Nähe der Eltern. 

Dorothea Weinberg sagt dazu:

«Bindungsreperatur ist immer notwendig, wenn das Kind eine Schockerfahrung durchlaufen musste – und sei sie noch so notwendig und unausweichlich gewesen! Das Kind hat durch die Überwältigung mit Zwang, Gewalt, Schmerz, Bluten, Eindringen in seinen Körper, etc. ein Stück seines Urvertrauens in die Welt verloren und braucht nun die emotionale Versicherung, dass die Welt kein böser Ort ist, indem es allein gelassen ist.»

Als Eltern können wir also in der Regel unseren Kindern das geben, was sie brauchen, wenn sie etwas Schweres erlebt haben. Das finde ich ermutigend und wunderbar eingerichtet!

Natürlich gibt es aber auch Situationen, wo das genau nicht möglich ist, aus welchen Gründen auch immer. Dann brauchen wir Angehörige, Freunde, fürsorgliche, liebevolle Menschen, die uns unterstützen und sich unserer Kinder annehmen.

So gesehen kann jeder von uns auch mal in die Rolle kommen, eine Familie und Kinder zu unterstützen, wenn sie gerade Schweres erleben. Verschliessen wir die Augen nicht, vor den Nöten unserer Nächsten und seien wir mutig, selbst um Hilfe zu bitten, wenn wir sie brauchen!

Zitate von Dorothea Weinberg aus «Verletzte Kinderseeele»

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“Wann ist es endlich morgen?”

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«Sie hat das Innen zu uns gebracht»