«Habakuk! S’git Buchweh wenn i d’Wuet verschluck!»

Schöner Fluchen lernen mit Marius und der Jagdkapelle – Oder: Warum es so wichtig ist, dass unsere Kinder ihre Frustration ausdrücken dürfen/können/lernen

 

Wenn etwas nicht so läuft, wie wir das gerne hätten, dann ist es «So en Habakuk!!!» (Bild: J. Zäh)

 

Die Musik von Marius und seiner Jagdkapelle spielt bei uns zuhause häufig – und das nicht nur, weil ich (Heimweh-)Appenzellerin bin. Nein, seine Lieder vom Waldrand und aus der Hirschschnauzdisco «fägen» meinen Kindern (und mir!) und vor allem transportieren sie neben ganz viel (Wort-)Spiel und guter Laune auch sehr viel Wahrheit.

Da ist beispielsweise der Oberjägermeister Brünzli, der bei uns regelmässig eine so grundlegende Weisheit durch die Stube brüllt:

«Habakuk, Habakuk!
S’git Buchweh wenn i d’Wuet verschluck,
Habakuk, Habakuk!
S’isch gsünder wenn i’s use druck!»

(hier kannst du den Oberjägermeister fluchen hören)

Das sehe ich genau so: Frustration und Aggression als energetische Ladung, die unser Körper (ungefragt) produziert und die wir – ganz nebenbei - auf unserem Lebensweg ganz dringend brauchen, als Motor und als Kompass. Und vor allem: Wir müssen diese Ladung irgendwie wieder loswerden, sonst staut sie sich an und es gibt Bauchweh.

Bei der anderen Ladung, die unser Körper produziert und die wir auf dem stillen Örtchen loswerden, ist uns das völlig klar: Das, was da in uns rumpelt, gärt und stinkt, muss dringend und regelmässig aus uns raus, sonst gibt’s eine Verstopfung und unser System gerät aus dem Takt oder blockiert sich selbst.

Und so ist das auch mit der Frustration in unseren Kindern: Auch die muss ausgedrückt werden, sonst droht früher oder später Unheil! – Nur leider scheinen wir Erwachsenen oft genau damit ein Problem zu haben: zu unangenehm, verletzend oder stinkend die Ladung und zu beängstigend oder alarmierend die Art und Weise, wie unsere Kinder sie ausdrücken, v.a. wenn die Nachbarn mithören. Und deshalb verbieten oder bestrafen wir ihren Ausdruck, meinen, sie wegdiskutieren oder mit Argumenten aus dem Weg schaffen zu können, oder wir beschämen unsere Kinder für die grossen Emotionen, die in ihnen toben (wohlwissend, dass auch wir Erwachsenen manchmal ge- oder gar überfordert sind von den emotionalen Stürmen in uns).

Expression without repercussion

Dabei wäre unser Job als Erwachsene ein ganz anderer: Wir sollten unseren Kindern – wie beim WC-Training auch – helfen, Arten und Wege zu finden, wie sie ihre Frustrations-Ladung loswerden können, ohne dass ein Unglück geschieht und etwas kaputt geht oder jemand dabei verletzt wird!

Und hier kommt für mich Marius’ Oberjägermeister Brünzli ins Spiel, wenn er singt:

«I flueche wenn i hässig bi,
denn goht d’Wuet ines Fluechwort dri»

Oder etwas später im Chor:

«Mir flueched wenn mir hässig sind
und schicked d’Wuet so luut in Wind»

Der Herr Oberjägermeister macht hier nämlich genau das: Er normalisiert Frustration und Wut und bringt sie ins Spiel, in dem er unseren Kinder Fluchworte vermittelt, die nichts anderes sind als Ventile für das, was in uns gärt, rumpelt und stinkt. Kostprobe gefällig?

Potz Böögepflotsch und Fultierfurz!

Potz Fuchsebrunz und Stinkfuess-Chäs!

Potz Pilzligörps und Schnäggähuut!

Potz Zapfegagg und Schnodderbrei!

Wenn wir mit der Art und Weise, wie wir unsere Wut ausdrücken, jemanden verletzten oder etwas kaputt geht (Bild: J. Zäh)

Wenn die Wut grösser ist als wir - oder: Ein «Du Arschl…» verletzt das Gegenüber (Bild: J. Zäh)

Fühlt sich das nicht ganz anders an, als die Fluchworte, die sonst so im Umlauf sind? – Hier fühlt sich, ausser vielleicht einem Fuchs, Pilz oder Faultier, niemand verletzt oder angegriffen und der spielerische Aspekt ist für alle Beteiligten klar ersichtlich. Und genau darum geht es: Ausdrucksformen für Frustration zu finden, die nichts und niemanden verletzen. Expression without repercussion - oder: Ausdruck ohne Folgen. Das können Marius’ Fluchworte sein. Oder ein Trampolin. Holzhacken eignet sich dazu ebenso gut wie Zopfkneten, im Wald oder ins Kissen brüllen, Tennisbälle an die Wand pfeffern oder laut singen.

Der Herr Oberjägermeister Brünzli flucht aber nicht nur wunderschön («… und es flueched kein so schön wie’n’er»), nein, er fordert ganz intuitiv auch die Erwachsenen auf, solche Ventile zu finden:

«Potz Zapfegagg und Schnodderbrei!
So wör’s töne wär i d’Mama,
d’Mama isch mit Üebe dranna…»

Und so wie der Mama im Lied, die sich nur ganz zaghaft an den (Kraft-)Ausdruck ihrer Frustration heranwagt («i cha da nöd…»), geht es auch vielen von uns Erwachsenen: Es fehlt uns im Alltag an spielerischen Ventilen für unsere Frustration. Und was geschieht dann, Potz Zapfegagg und Schnodderbrei?!? Richtig: Die Frustration staut sich an, bis sie sich an Kleinigkeiten entlädt oder uns innerlich auffrisst.

Deshalb, Stärnehagelfüdlinonemel, ist es Zeit für mehr oberjägermeistliche Fluchwörter und mehr spielerischen Ausdruck unserer Frustration.

 

PS. Mehr zu einem bindungssicheren und entwicklungsfördernden Umgang mit Aggression findest du in unserem Mini-Kurs «Aggression verstehen».

Bilder: Die drei Zäh-Kinder

 
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