Imaginäre Freunde

«Mein Kind spricht ständig mit einer unsichtbaren Ziege – muss ich mir Sorgen machen?» Irgendwann kommen die meisten Eltern an diesen Punkt. Nun, es muss keine Ziege sein, es kann ein Äffchen sein, ein Kobold oder einfach ein Kind… Alle gemeinsam haben sie, dass sie meist plötzlich auftauchen und ständig um unser Kind herum sind, aber für uns Eltern unsichtbar: die imaginären Freunde!

Bei einer meiner Töchter war es Jano. Wann immer ihr ein Missgeschick passierte, Jano war schuld. Und wenn sie ein Stück Schokolade bekam, bat sie um ein zweites, für Jano.

Jano begleitete uns auf Familienausflüge und Jano sass mit uns am Tisch (selbstverständlich mit eigenem Gedeck), Jano schlief in ihrem Zimmer…

Bei mir war es anders: Meine beiden imaginären Freundinnen, Frau Zingzang und Frau Bachmann, kamen nur zu speziellen Gelegenheiten zu Besuch. Wir setzten uns dann um meinen Kindertisch, tranken Kaffee aus meiner Kinder-Kaffeemaschine und strickten Pullover für unsere Puppenkinder. Die beiden Damen kamen in der Regel dann zu Besuch, wenn meine Grossmutter zum Kaffee zu meiner Mama kam.

Abends erzählte ich dann meinem älteren Bruder voller Freude von meinem «Kaffeekränzchen» mit den beiden Damen. Und mein Bruder machte sich Sorgen, ob bei mir noch alles stimmt im Kopf… Da ist er wohl nicht der einzige der sich anlässlich der blühenden Fantasie eines Vorschulkindes Sorgen macht…

Aber ich kann alle, die sich mit den imaginären Freunden ihrer Kinder herumschlagen, beruhigen, ja sogar ermutigen: Kinder, die imaginäre Freunde haben sind im Spielmodus. Die Grenze zwischen Spiel und «echt» scheint manchmal etwas verschwommen, wobei man davon ausgehen kann, dass es dem Kind sehr viel mehr bewusst ist, dass sein Freund nicht «echt» ist, als sich eingestehen mag. Denn dann wäre ja der Spass vorbei… 😉 Ausserdem zeugen imaginäre Freunde von grosser Fantasie und Emergenz, beides Fähigkeiten, die einem das Leben noch lange leichter machen.

Die meisten imaginären Freunde haben ihren grossen Auftritt im Alter der Kinder zwischen 3 und 5 Jahren, also wenn die Kinder noch keine gemischten Gefühle haben, oder sie gerade am Entwickeln sind. Und meistens verabschieden sie sich genau so plötzlich aus dem Familienkreis wie sie aufgetaucht sind. Sie dem Kind auszureden, an die Vernunft zu appellieren oder sie zu ignorieren ist meiner Meinung nach vergebliche Müh und auch nicht nötig.

Am besten freuen wir uns über den (ungebetenen) Gast, bzw. über die Fantasie und Emergenz unserer Kinder. Und noch besser lassen wir uns ein Stück weit mit hineinnehmen in die glitzernde und fantasievolle Welt unserer Vorschulkinder. Denn sie ist so schnell vorbei…

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«Sie hat das Innen zu uns gebracht»

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«Ich mache mir die Welt… widewide wie sie mir gefällt…»