«Schäm dich!»

Wer hat es seinem Kind nicht auch schon gesagt, aus Empörung, Ärger oder weil man sich im Grunde genommen selbst geschämt hat? «Schäm dich!»

Als Kind habe ich mich immer gefragt, was man denn eigentlich genau tun muss, wenn man sich schämen soll… Weil ich als die jüngste in unserer Familie mehr kaputte Hosen und Knie nachhause brachte als meine beiden Brüder zusammen (laut meiner Mama), sollte ich mich öfters mal schämen. Schliesslich sei ich doch ein Mädchen…

Da meine Mama diese «Schäm dich» Aussage immer mit einer Prise Humor und theatralisch verdrehten Augen äusserte, nahm ich sie nicht wirklich ernst und so hielten sich auch meine Studien dazu, was man denn jetzt genau tun sollte in Grenzen.

Als wir Jahre später mit unseren Kindern die Serie «unsere kleine Farm», welche um die Jahrhundertwende im Westen von Amerika spielt, schauten, da ging mir ein Licht auf: Wenn Willy, der Sohn des Krämers, Dummheiten gemacht hatte, musste er jeweils in die Ecke stehen, Gesicht zu Wand. Das also tut man, wenn man sich schämt.

Ob das nun pädagogisch wertvoll ist oder nicht, darüber brauchen wir hoffentlich nicht zu diskutieren. Und ich gehe schwer davon aus, dass sich heute kein Kind mehr in die Ecke stellen muss.

Doch ebenso sicher bin ich mir, dass Beschämung nach wie vor in unserer Kindererziehung zu finden ist.

«Du benimmst dich ja wie ein Kleinkind» oder «jetzt heul doch nicht rum wie ein Baby»

«Mach doch nicht so ein Theater, ist doch nichts dabei» oder eben «schäm dich! Sowas tut / sagt man nicht!»

Warum sagen wir als Eltern solche Sätze, die wir meist ja selber nicht nett finden?

Ich denke, es hat ganz oft etwas mit unserem eigenen Wohlergehen zu tun. Sind wir ausgeglichen und ausgeschlafen kommen wir viel besser mit einem schreienden oder weinenden Schulkind zu recht. Oder mit einem Kind, dass sich partout nicht in den Finger piksen lassen will beim Kinderarzt…

Anders sieht es aus, wenn unser Nervenkostüm grad so schon sehr dünn ist, aus welchem Grund auch immer. Dann kann einem ein Kind, dass sich weigert, denn Finger für den Piks hinzuhalten den Rest geben. Vielleicht fühlt man sich selbst machtlos und blossgestellt. («Was ist denn das für eine Mutter, die hat wohl ihr Kind nicht im Griff!»)

Eine beschämende Aussage wie oben ist dann das letzte Druckmittel, um das gewünschte Verhalten zu erzwingen und sie kann auch ein Ventil für den eigenen Frust sein.

Was beschämende Aussagen mit den Kindern machen, das schauen wir beim nächsten Beitrag an. Für heute noch ein kleiner Wegweiser für Stresssituationen:

Oft kann es für alle beteiligten die Situation entschärfen, wenn man den ganzen Frust in Worte fast und die heftigen Gefühle des Kindes spiegelt. Oftmals braucht es gar nicht viel mehr, als dem Kind damit zu zeigen, dass wir sie sehen und sie ernst nehmen. Denn gesehen und ernst genommen werden, das wollen wir ja alle, vor allem dann, wenn wir in Aufruhr und Not sind, oder?

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«Ich bin nicht okay, so wie ich bin»

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