Sternschnuppen aus dem Beratungsalltag

Sternschnuppe aus dem Beratungsalltag:

Die folgenden Fallbeschreibungen sind aus verschiedenen Fällen / Gesprächen konstruiert. Sie spiegeln nicht einen einzigen Fall oder eine einzige Person wieder.

Eine Mama erzählt mir eine Situation aus dem Familienalltag: Ihr Sohn weigert sich, sich kämmen oder gar Haare schneiden zu lassen. Immer wieder gibt es Machtkämpfe deswegen. «Manchmal läuft er so ungepflegt herum, dass es mir peinlich ist» so die Mama.  «Gegenwille» denke ich als erstes. Also der Wille der Mama, dass diese Haare gepflegt werden müssen, ist grösser als der Wille des Kindes, seine Haare zu pflegen.

Doch im Laufe des Gespräches stellt sich heraus, dass hier mehr dahinter sein muss: Die Reaktionen des 6-Jährigen sind extrem, das Kind schreit, schlägt um sich und scheint jeweils kaum mehr erreichbar zu sein. «In diesen Momenten befindet er sich wie in einem Tunnel, für die Aussenwelt nicht erreichbar» sagt die Mama.

Solche Aussagen machen mich hellhörig. Könnte es sein, dass das Kind etwas erlebt hat mit seinen Haaren, was sehr stressvoll, ja sogar überwältigend wart?

 

Andere Situation: Ein Mädchen, jetzt ca. 8 Jahre alt, hatte als Baby schwere gesundheitliche Probleme und musste deshalb im Kinderspital operiert werden. Wochenlang waren immer wieder Spritzen und Medikamentengaben via Infusionen notwendig. Dieses legen von Infusionen war nicht immer einfach, das Baby musste festgehalten werden, und nicht selten wurde auch Lachgas eingesetzt.

Auch hier werde ich hellhörig, denn was die Eltern mir schildern, ist eine potenziell traumatische Situation.

Ob eine schwierige Situation tatsächlich die Bewältigungsstrategien einer Person übersteigt und so tiefe Spuren hinterlässt oder ob es einfach eine stressvolle Erfahrung ist, die verarbeitet werden kann, das lässt sich von aussen nicht so leicht beurteilen.

In Situationen, wo Kinder auf kleine Auslöser extreme Reaktionen zeigen, das eine also nicht zum anderen passt, können wir vermuten, dass der Stress einer unverarbeiteten Verletzung mitschwingt. Im ersten Fall hiesse das also, dass die extreme Reaktion des Kindes, wenn die Mama die Haare kämmen möchte, sich gar nicht auf das Haare kämmen im hier und jetzt bezieht, sondern auf ein Erlebnis von früher, dass nicht verarbeitet werden konnte.

In solchen Fällen sind unsere gängigen Erziehungsmassnahmen nicht nur unwirksam, sondern oft auch kontraproduktiv. Würde man ein solches Kind zum Haare kämmen zwingen, würde man den Stress nur noch verstärken.

Manchmal wissen wir, dass es im Leben eines Kindes potenziell traumatische Situationen gab, wie jene in unserem zweiten Fall. Ob eine solche Situation aber tatsächlich traumatisch für das jeweilige Kind war, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein wichtiger Faktor ist die Rolle der Eltern: In unserer obigen Situation konnten die Eltern permanent beim Kind sein. Sie konnten während Spritzen und Infusionen das Kind im Arm halten und liebevollen Trost spenden. Bekommt das Kind diesen Schutz durch die Bindung in und nach der stressvollen Situation, kann es tatsächlich sein, dass auch eine solche schwierige Erfahrung keine weiteren Folgen hat.

Wenn immer ich solche und ähnliche Beschreibungen höre, freue ich mich von herzen! Hier hat sich der Umgang mit kranken Kindern in den letzten Jahrzehnten doch wirklich sehr stark verändert. Mussten doch noch in den 70-iger Jahren sogar Babys zum Teil über längere Zeit allein im Krankenhaus gelassen werden…

 

Wenn du gerne mehr über den Umgang mit tiefen Verletzungen, unverarbeitetem Stress und Trauma wissen möchtest, dann ist der Onlinekurs «Ängste und Trauma verstehen» das richtige für dich.

Im Kurs sprechen wir über unser Alarmsystem, über Angst und Bewältigungsstrategien. Wir schauen, wie ein Trauma entsteht, wie wir vorbeugen können und was Kinder nach stressvollen oder traumatischen Erfahrungen brauchen. Emotionale erste Hilfe in Akutsituationen wird ebenfalls Thema sein.

Dieser Kurs ist für Eltern und Bezugspersonen von betroffenen Kindern, ebenfalls für betroffene Erwachsene und für alle die sich in diesem Thema ein Grundwissen aneignen möchten.

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Hilfe, mein Kind und seine Freundin sind so frech!