Über (chemische) Bindungen

Warum wir uns auf die Welt und inbesondere auf Kinder und Jugendliche ohne ein Verständnis von Bindung keinen Reim machen können.

Durch wundersame Umstände «durfte» ich im letzten Schuljahr Chemie unterrichten. Ausgerechnet Chemie! Die Materie hat sich mir schon in der Kanti nie erschlossen und nachdem ich mich am Zukunftstag der ETH von meiner Freundin mit in die Chemie-Labore hatte schleppen lassen (ihr Vater war leidenschaftlicher Chemiker), war für mich klar: Nie und nimmer wird mich das interessieren!

Ein gutes Vierteljahrhundert nach meinem Besuch an der ETH stellte sich mir im letzten Sommer die Frage, wie um Himmels Willen ich mich für Chemie würde motivieren können!? Der Blick ins Chemie-Buch zeigte mir, dass ich ziemlich vieles vergessen hatte und ich mich nochmals neu eindenken musste. Zugegebener Massen handelt es sich beim Stoff nur um die absoluten Grundlagen der Chemie, aber wenn man schon beim reinen Anblick des Periodensystems eine abstossende Wirkung verspürt, wird auch das zum Kraftakt (zumal es mit drei Kindern durchaus signifikante Kräfte gibt, die einem vom Chemie-Buch wegzerren können).

B-I-N-D-U-N-G

Es brauchte ein einziges Wort, um die abstossende Wirkung des Wortes Chemie ins Gegenteil zu kehren: BINDUNG! In der Chemie geht es ja primär um Bindungen – um Anziehung und Abstossung, darum wer mit wem und wie stabil so eine Bindung ist resp. wie leicht sie wieder gelöst werden kann.

Die Kraft, die alles zusammenhält

Da war sie also wieder, die Kraft, die alles zusammenhält - und dafür konnte ich mich durchaus begeistern. Gordon Neufeld nennt diese Kraft auch den «Elefanten im Raum» - so nah, dass wir kaum Worte für sie haben. Den Begriff «Bindung» brauchen wir in unserem Alltag kaum - und wenn wir von «Attachment» sprechen, denken wir an Email-Anhänge. Unsere Intuition aber kennt diese Kraft sehr wohl, nur steht Intuition für Wissen ohne Worte. Um aber darüber zu sprechen, zu reflektieren und unser Leben im Einklang mit dieser Kraft zu leben, brauchen wir Worte! Nehmen wir also “Bindung” als beste Annährung an diese Kraft.

Für was aber steht der Begriff «Bindung»? Gordon Neufeld definiert Bindung als…

«…Trieb oder Beziehung, die durch das Streben nach resp. das Bewahren von Nähe charakterisiert ist».

Und wenn man, wie ich, mit einem Physiker verheiratet ( = verbunden ;o) ist, wird schnell klar, dass nicht nur die Chemie, sondern auch die Physik von dieser Kraft geprägt ist. Könnte über Physik nachgedacht werden, ohne ein Verständnis von Bindung? Atome, Moleküle, Materie, unser an die Sonne gebundener Planet, das Universum – ohne ein Verständnis von Anziehung oder eben «Bindung» könnten wir uns keinen Reim darauf machen!

Und dasselbe trifft auch für Kinder und Jugendliche zu: Ohne ein Verständnis von Bindung – unserem grössten und grundlegendsten Bedürfnis – werden wir nicht schlau aus ihnen!

Wenn wir sie mit ganzem Herzen sehen wollen, müssen wir die Kraft der Bindung, ihre Entwicklung und die damit einhergehenden Dynamiken verstehen.

Und genau darum geht es in unserer aktuellen Podcast-Folge, die da heisst: «Bindung - Viel mehr als Baby-Bonding» - zu hören auf Spotify und Apple Podcasts.

PS.: Die Bindung zwischen der Chemie und mir war nicht sehr stabil - nach den fünf Wochen Unterricht zogen mich andere Kräfte ohne viel Federlesen aus ihrem Orbit.

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