Eine persönliche musikalische Reise
Oder: Wie ein Musikstreamingdienst mein Spiel unterstützt
Heute Abend habe ich mal wieder die Kraft und Magie der Musik gespürt. Gerade zur Schlafenszeit hat es bei uns ein wirklich heftiges Gewitter gegeben. Und da wir unter dem Dach wohnen, bekommen wir es noch direkter mit. Ich war alleine mit meiner Tochter zu Hause und musste noch alle Fenster schließen und draußen schauen, ob alles in Sicherheit ist. Meine zweijährige Tochter hatte, wie immer bei Gewitter (und Feuerwerk), Angst und war sehr alarmiert. Es war so bedrohlich für sie, dass ich eine Matratze in unseren Flur ohne Fenster gelegt habe und alle Türen geschlossen habe. Dort war es leise und ging viel besser. Als ich dann angefangen habe, laut zu singen, hat sie sich wirklich beruhigt. Die „normalen“ Lieder davor reichten nicht. Erst als ich in ganz besonderem Alpha Bewahre uns Gott sang, entspannte sie sich direkt. Dann folgte Zu den Bergen hebe ich meine Augen auf und Memory von Cats (was für meine Stimmlage gut passt.) Auf diese Weise konnte sie dann friedlich einschlafen. Es brauchte meine starke Stimme – und einen starken Text (auch wenn ich aus der Kirche ausgetreten bin, manchmal braucht es solche Lieder noch).
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Musik ist einer der besten Wege, um loszulassen: Sie gibt der Wut einen Klang, der Freude eine Form und der Spannung eine Erleichterung.
Haim Ginott (1965)
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Ich höre gerne Musik, bei der auch die Texte passen. Da ich vielleicht auch etwas brauchte, um das Ganze zu verarbeiten und an meine Weichheit erinnert wurde, hörte ich danach auch noch die Lieder, die mir beim Vorsingen in den Sinn kamen. Besonders berührt bin ich von einer Sängerin, an die ich mich schon kürzlich wiedererinnert habe. Eine, die ich vor 10 Jahren entdeckt und dann einige Jahre sehr intensiv gehört habe. Also Frankophile spricht mich ihre Musik besonders an. Doch irgendwann ist alles einmal zu viel (ich höre Lieder, die ich mag, rauf und runter, wie ein Kind, das ein Buch immer und immer vorgelesen haben möchte) - und es gab eine längere Pause. Nun kam ich wieder drauf – wegen eines besonderen Textes: „Wenn ich jemals vergesse, wofür ich das alles [meine Leidenschaft] mache, erinnere mich!“ Es handelt sich um Si jamais j`oublie von der französischen Sängerin ZAZ. Mit ihrem ersten Lied Je veux hat sie wirklich ein Statement abgegeben – und es scheint mir, dass sie dem auch über die Jahre treu geblieben ist (hier ist eine Übersetzung zu finden). Das ist heutzutage ja nicht mehr selbstverständlich, wenn jemand solch einen Erfolg hat, dass man sich selbst dennoch treu bleibt.
Zu Tränen berührt hat mich auch das Lied bzw. die Übersetzung von Ce que tu es dans ma vie. ZAZ ist anscheinend sehr diskret, was ihr Privatleben betrifft – das ist ja auch wichtig, wenn man so in der Öffentlichkeit steht und das macht sie eigentlich noch sympathischer. Doch zu diesem Lied hat sie gesagt, dass es für ihre Stieftochter ist. Als Scheidungskind mit etwas komplizierter Stiefmutterbeziehung finde ich es besonders berührend – so ein Statement. Wie schön, wenn in Zukunft solche Arten von Stiefmutter-Stieftochter-Beziehungen zum Leitbild werden.
Ein bisschen in die Richtung geht auch der Film Seite an Seite (original: Stepmom), ein Film aus dem Jahr 1998. Dort geht es darum, wie sich eine Stiefmutter um eine gute Beziehung zu den Kindern ihres neuen Partners bemüht – anfangs noch sabotiert von der Mutter, doch dann wandelt es sich zum Guten. Bezeichnenderweise war dies in meiner (Scheidungs-)familie neben Ein Zwilling kommt selten allein (eine amerikanische Version des doppelten Lottchens) sowie Amy und die Wildgänse (ein Mädchen kommt nach dem Tod ihrer Mutter zu ihrem bis dahin fast unbekannten Vater und seiner neuen Frau) einer unserer Lieblingsfilme. Später habe ich mit Freude festgestellt, dass der erste und der letzte Film auch in der Empfehlungsliste des Neufeld Institutes auftauchten. In Seite an Seite gibt es auch eine ganz besondere Szene, in der Musik hilft, eine schwierige Situation aufzulösen und alle wieder zu versöhnen. Hier ist der Ausschnitt dazu. Ain´t no mountain high enough singen sie da zusammen, anscheinend ihr besonderes Ritual.
Ganz laut ein Lieblingslied mitzusingen, ist einfach sehr verbindend. Auch in der Tragikomödie The Skeleton Twins gibt es eine besondere Szene, in der Musik hilft, defensive Bindungsabwehr aufzulösen – zu dem Lied Nothing`s gonna stop us now von Starship.
Ich stehe ja einer übermäßigen Nutzung von digitalen Medien durchaus kritisch gegenüber, doch bei dem Musikdienst Spotify muss ich sagen, dass er schon öfter meine Kreativität und mein Spiel unterstützt hat. Bei der Vorbereitung für meinen 30. Geburtstag hatte ich einmal nachts eine ganz besondere Freude daran, Lieder aus meiner Jugend rauszusuchen: „Ach, das noch und das und ja, das auch und da war doch noch das…“ Diese Playlist kam auch wirklich gut an und hat viel Freude und Lacher hervorgerufen. – Und dann konnte ich auch so viele Liedtexte noch auswendig! Zu dieser Playlist habe ich auch später noch zu Hause getanzt, wenn ich was rauslassen musste (Stronger von Britney Spears!).
Dieses Vom-einen-zum-anderen-Kommen und sich inspirieren lassen, in Erinnerungen schwelgen und direkt „belohnt“ zu werden und das passende Lied auch zu finden, ohne störende Werbung dazwischen, ist für mich wirklich ein tolles Tool, das mein Spiel unterstützt.
So hatte ich auch mal mit meinen Schwiegereltern einen witzigen, verbindenden Tanzabend mit AnnenMayKantereit und anderen (empfehlenswert auch Tanz um dein Leben von Henning Wehling und Wenn du tanzt von Von wegen Lisbeth) über Spotify. Und eben heute Abend mal wieder mit ZAZ. Je nach Stimmung – alles ist möglich.
Vielleicht inspiriert es die eine oder den anderen, mal wieder seine oder ihre Musik zu hören oder Neue zu entdecken, die das Herz berührt oder die Beine zum Tanzen bringt.