Erinnerungen - "Lass mir Zeit für mich allein!"

Auf meiner Erinnerungsreise, an Dinge, die ich heute anders machen würde folgt Teil 4: «Lass mir Zeit für mich allein…!»

Ich bin definitiv ein sehr extrovertierter Mensch und meine Kinder mussten ziemlich gross oder alt werden, bis auch mir dämmerte, dass nicht alle 3 im gleichen Masse extrovertiert sind wie ich. Als extrovertierter und beziehungs-liebender Mensch habe ich meine Familie ganz bestimmt stark in diese Richtung geprägt. Das hat sicher seine guten Seiten, hat aber auch mit sich gebracht, dass sich das eine oder andere Kind hier und da als «komisch» oder sogar «falsch» gesehen hat, weil es sich in dieser Art Familienleben nicht zu jedem Zeitpunkt wohl gefühlt hat.

Ein gutes Beispiel gibt der frühe Abend ab. Einer nach dem anderen trudelte nach Schule oder Arbeit zuhause ein. Als Mama war es mir immer wichtig, in diesen Moment präsent zu sein, Interesse und gesprächsbereitschaft zu zeigen. Dass es Kinder, bzw. Jugendliche gibt, die in diesem Moment vom Nachhause kommen kein Gespräch, sondern erst mal Ruhe und Alleinsein bräuchten, auf diese Idee kam ich schlicht und einfach nicht. Als ich ein Kind / Jugendliche war, fand ich es ganz schlimm, wenn ich nachhause kam und niemand da war, der einem zuhörte, wenn ich vom Tag erzählen wollte. Das kam so ungefähr 3x im Jahr vor und selbst dann war die Grossmutter nebenan jederzeit für ein Schwätzchen bereit. Ich kann mich also nicht beklagen.

In dieser Sache schloss ich unbewusst von mir auf andere. Ich nahm einfach an, dass jedes meiner Kinder dieses Bedürfnis hat. Und wenn ein Kind dann mehr oder weniger vehement seine Grenzen setzen und sich zurückziehen wollte, zeigte ich dafür leider wenig Verständnis.

Gleichzeitig litt ich für meine Kinder, wenn sie denn doch mal allein sein mussten. Bis mir eines Tages ein Kronleuchter aufging und ich begriff, dass es Menschen in unserer Familie gibt, die ganz gerne mal allein sind. Es soll ja tatsächlich Menschen geben, die sich nicht einsam und verlassen fühlen, wenn sie mal einen Abend oder auch länger alleine zuhause sind. 😉

Ich wünschte, diese Erkenntnis hätte ich früher gehabt. Ich hätte wohl manchen Konflikt und bestimmt auch Verletzungen vermeiden können, wenn ich mir früher bewusst gemacht hätte, dass jedes Kind auch in diesem Bereich eine ganz eigene Persönlichkeit entwickelt.

Eigentlich wäre es ja nicht so schwierig gewesen. Wenn man unter einem Dach wohnt, gibt es ja sicher die eine oder andere Möglichkeit, den anderen einfach zu fragen: «wie ist das für dich?» oder auch «was brauchst du gerade?»

Solche Fragen sind eine gute Möglichkeit für unsere Jugendlichen sich zu reflektieren und zu fragen, «ja, was brauche ich denn gerade?» Sie helfen ihnen ihre eigene Persönlichkeit zu entdecken und ihre Bedürfnisse in Worte zu fassen. Als Eltern könnten wir auch die Chance nutzen und uns reflektieren: «wo gehe ich davon aus, dass mein Kind das gleiche braucht wie ich?» aber auch «was bräuchte ich denn, wo werden vielleicht auch meine Grenzen oft überschritten?»

Und solange wir noch Klein- oder Schulkinder haben, ist es sicher noch eine Weile bei uns als Eltern, die Bedürfnisse der Kinder zu «lesen». Das bedeutet, dass wir aufmerksam sind und versuchen zu erkennen, was sie wirklich brauchen. Und dann dürfen wir dafür sorgen, dass ihre wahren Bedürfnisse gestillt werden und sie so Raum haben zum Reifen und Wachsen.

Das werden wir nicht immer perfekt machen, aber immer öfter 😉

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