«Es tut mir leid…»
Wie wir uns bei Kindern entschuldigen - Oder: Worauf wir beim Entschuldigen tunlichst verzichten sollten
In diesem Blog-Eintrag hier hab ich dargelegt, warum es wichtig ist, DASS wir Erwachsene – Eltern oder Lernbegleiter:innen – uns bei unseren Kindern für unsere Verfehlungen entschuldigen.
Und in diesen Zeilen hier soll es nun also um das WIE gehen - also darum, wie wir uns bei Kindern entschuldigen sollen. Wobei - so viel gleich vorneweg - mir das Wort Ent-Schuldigung eigentlich so gar nicht gefällt: Es geht ja nicht darum, uns von einer Schuld zu erleichtern und schon gar nicht darum, das Bündel des schlechten Gewissens unserem Gegenüber zu übergeben. Aus meiner Sicht geht es darum, anzuerkennen, was geschehen ist und was das bei unserem Gegenüber ausgelöst hat*.
Aber von vorne:
Dass das mit der Entschuldigung gar nicht so einfach ist, wissen wir wohl alle – sonst würden uns diese Worte viel einfacher über die Lippen kommen. Oder wie Elton John das so wunderbar vertont hat: «Sorry seems to be the hardest word».
Wobei: Ausgesprochen ist das Wort «Entschuldigung» ja schnell (bei mir dauert das 1,17 Sekunden), die Frage ist nur, ob es auch ankommt und die Botschaft des Wortes angenommen wird. Und das geschieht nur, wenn das Wort nicht alleine und hohl bleibt, sondern wenn es begleitet und erfüllt wird von unseren Gefühlen. Wir können uns also nur wirklich für etwas entschuldigen, wenn wir das, was wir bei unserem Gegenüber angerichtet haben, auch fühlen können. – Ein schnell daher gesagtes und innen hohles «’Tschuldigung!» kann gar das Gegenteil bewirken, dann nämlich, wenn deutlich wird, dass wir zwar bemerkt haben, dass das was geholpert hat, uns jedoch nicht die Mühe machen möchten, genauer hinzuschauen. Wir werfen unserem Gegenüber dann quasi ein Pflaster vor die Füsse, auf dass er oder sie sich selbst um seine Verletzung kümmere – egal, ob gerade ein Druckverband oder gar ein Rega-Einsatz angezeigt wäre; mit uns hat das alles ja nichts zu tun.
Dass wir Fühlen, während wir uns entschuldigen, ist also der Königsweg, und der ist nicht immer ganz einfach zu nehmen.
Wie aber gehen wir das Ganze rein operativ an? – Wichtig sind aus meiner Sicht zwei Aspekte:
1. Dass wir unsere Verfehlung benennen, beispielsweise so:
«Ich hab das grad gar nicht gut gemacht vorhin, als ich so laut geworden bin. Da kam so viel Frust aus mir raus, der sich in mir angestaut und gar nichts mit dir zu tun hatte.»
«Da hab ich wirklich überreagiert vorhin. Und ich habe Dinge gesagt, die ich gar nicht so gemeint hab. Ich wünschte, ich hätte ruhiger bleiben können.»
«Ich bin gar nicht zufrieden mit meiner Reaktion vorhin, als ich mit der Faust auf den Tisch geschlagen habe. Das ist nicht die Art & Weise, wie ich meinen Unmut ausdrücken möchte.»
2. Dass wir anerkennen, was wir beim Gegenüber angerichtet haben, beispielsweise so:
«Ich hab gesehen, dass du erschrocken bist ob meiner Reaktion. Das tut mir leid.»
«Meine Reaktion hat dich verletzt – das hätte sie mich an deiner Stelle auch…»
«Ich weiss, dass dich das, was ich in meiner „Täubi*“ gesagt habe, verletzt hat. Das tut mir leid.»
… und bitte nicht mehr!
Alles, was über die beiden obigen Aspekte hinaus geht, sollten wir aus meiner Sicht tunlichst unterlassen. Benennen und anerkennen – und dann Punkt und möglichst zügig zurückkehren in den Alltag. Also kein «Kannst du mir bitte verzeihen?», «Haben wir uns wieder lieb…?» oder «Komm, nehmen wir uns in den Arm/nimm mich in den Arm…»
Wieso? - Unsere Kinder sind nicht da, um uns die Absolution zu erteilen – das käme einer Rollenumkehr gleich und würde unsere Kinder ins «Alpha» katapultieren. Und unsere Kinder sind auch nicht da, um unser schlechtes Gewissen zu erleichtern oder um Verständnis zu zeigen für all das, was wir als Eltern oder Lernbegleiter:innen so tragen und verantworten und was uns an den Rand unserer Kräfte und aus der Balance gebracht hat.
Natürlich erleichtert es unser Herz, wenn wir sehen, dass die Verbindung zu unserem Kind trotz allem noch intakt ist und es uns noch als Care Giver sieht, doch sollte das spontan und aus freiem Herzen geschehen – und meistens brauchen Kinder hierfür etwas Zeit (wie wir Erwachsene im Übrigen auch!). Diese Zeit sollten wir unseren Kindern verschaffen, in dem wir die ganze Verantwortung für unser Handeln übernehmen und das auch nonverbal signalisieren.
Die meisten Kinder spüren nämlich blitzschnell, wenn wir Erwachsenen nicht klar kommen mit unserer Verfehlung - und manch ein Kind ist schnell dazu bewegt, uns von dem Gewicht des schlechten Gewissns zu befreien, auch wenn es dafür das eigene weinende oder blutende Herz ignorieren und zum Schweigen bringen muss. - Nein, die Last des schlechten Gewissens müssen wir schon ganz alleine tragen…
Selbstverständlich darf auch unser Innenleben, unser schlechtes Gewissen und unsere Überforderung Raum bekommen – doch hierfür sind Partner:innen oder beste Freund:innen da und nicht unsere Kinder.
* In dem Sinne gefällt mir das englische Sorry besser. Auch wenn es in unserem alltäglichen Sprachgebrauch oft etwas salopp daher kommt (im Sinne von «Sorry, gell, wäge vori…»): Seinen Ursprung hat es im Altenglischen «sãrig» (verzweifelt, betrübt oder voller Kummer) und klingt auch noch im heutigen «sorrow» an…
** Mir gefällt das Schweizerdeutsche Wort «Täubi», denn darin schwingt nicht nur Zorn, Wut und Tobsucht mit, sondern auch Taubheit: So getriggert und getrieben sind von unseren Emotionen, sind wir nämlich manchmal richtiggehend taub und können nicht hören oder wahrnehmen, was wir gerade tun und anrichten.
Bild: Simona