“Ich geh jetzt besser”
Sommerblogreihe “So ein Frust!?” Teil 5
«Ich merkte, es ist besser, wenn ich mich jetzt verziehe, sonst eskaliert es nur» Als ich diesen Satz von einem meiner Kinder hörte, wusste ich, da sind gemischte Gefühle!
Es ging um eine immer wiederkehrende Situation, die regelmässig für Ärger sorgte. Ganz normale Geschwister-Konflikte halt, man ist sich uneinig, die Diskussion wird hitziger, Worte und Vorwürfe fliegen, Frust entsteht und schwappt über in Aggression. In so einem Moment zu sagen «ich geh jetzt besser» und dies auch zu tun ist eine ziemlich reife Leistung, die wir nicht zu früh von unseren Kindern erwarten dürfen. Hier geht es auch nicht um ein wütendes «Ihr könnt mich alle mal, ich geh jetzt», sondern darum, sich aus der Situation zu nehmen, bis die Gefühle bei allen etwas abgekühlt sind und man wieder konstruktiv miteinander umgehen kann.
Gemischte Gefühle sind die Lösung für Aggressionsprobleme
Während bei einem Kleinkind (Kinder unter 7) alle Gefühle einzeln und ungefiltert sichtbar werden, wird es im Alter zwischen dem 5. Und 7. Geburtstag möglich, Gefühle zu mischen. Neben der Wut auf die Schwester kann das Kind nun immer mehr auch z.B. die Fürsorglichkeit fühlen. Und damit wird die Aggressionsenergie abgemildert. Es fliegen statt der Fäuste vielleicht nur noch Worte…
Wenn wir nun Kinder haben, die sehr temperamentvoll sind und deren Frustration schnell in Aggression umschlägt, liegt die Lösung in der Reife, bzw. in der Fähigkeit, Gefühle mischen zu können. Solche Kinder brauchen statt «Aggressionstraining» viel mehr einen Ort, an dem sie reifen können.
Wie wir Bedingungen schaffen können, unter denen unsere Kinder reifen und gemischte Gefühle entwickeln können, darüber sprechen Simona und ich u.a. in der Podcast-Reihe «Kinder unter 7 verstehen». Hier deshalb nur kurz zusammengefasst: Sie brauchen eine sichere und tiefe Bindung, weiche Herzen und viel, viel Spiel.
Je intensiver Gefühle sind, desto schwieriger wird es, sie zu mischen. Wahrscheinlich haben wir mit dieser Tatsache alle schon Bekanntschaft gemacht. Je intensiver ein Streit und die damit verbundenen Gefühle sind, desto schwieriger ist es, auch die andere Seite zu sehen oder die Beherrschung zu nicht zu verlieren.
In der Pubertät verschwindet diese Fähigkeit, Gefühle zu mischen, naturgemäss noch einmal für eine mehr oder weniger lange Zeit. Die gute Nachricht ist, dass sie danach aber sogar in vertiefter Form zurückkommen, auch wieder abhängig davon, wie unsere Jugendlichen reifen können. (Mehr dazu im Kurs «Teenager verstehen») Wenn alles gut geht, werden dann auch solche und ähnliche Aussagen wie im Titel immer mehr möglich.
«Ende gut, alles gut» könnte man sagen. Bei nächsten Mal wollen wir uns aber noch anschauen, was passieren kann, wenn alle Ausfahrten aus dem Frustrations-Kreisel verschlossen sind. Leider ist dann eben nicht alles gut…