«Mein Kind schreit und schmeisst sich auf den Boden»

«Mein Kind rastet dann völlig aus. Es schmeisst sich auf den Boden, schreit und tritt um sich. Ich versuche es zu beruhigen und möchte mit ihm darüber sprechen, dass solches Verhalten nicht geht. Ausserdem versuche ich dem Kind dann auch immer zu erklären, warum das was es gern möchte, nicht möglich ist. Aber es ist dann so ausser sich, dass es gar nicht zuhört. Was soll ich denn in diesen Momenten machen?»

Solche und ähnliche Situationen werden mir immer wieder einmal in Beratungsgesprächen beschrieben.

Wir sind gerade in einer Blogreihe über «bindungssichere Disziplin», wollen also schauen, was man in genau diesen Situationen machen kann, ohne der Beziehung zu schaden. 

Bevor wir aber überhaupt über Disziplin sprechen, müssen wir uns im Klaren sein, das ein Kind, welches sich so benimmt, wie oben aufgeführt, sehr in Not ist!

Grundsätzlich kann man sagen: «Je mehr ein Kind sich daneben benimmt, desto grösser ist seine Not»

Und ein Kind, das bereits in Not ist und definitiv Hilfe braucht, dem wollen wir ja keinen weiteren Schaden zufügen, sondern in erster Linie HELFEN.

So gesehen, macht es bereits einen sehr grossen Unterschied, ob wir ein Kind sehen, dass «mich herausfordern will» oder «die Grenzen austestet», «sich nicht benehmen kann» usw. oder ob wir ein Kind sehen, das sich in Not befindet.

Gordon Neufeld gibt uns 5 Richtlinien mit auf den Weg um mit solchen Vorfällen, die emotional aufgeladen sind, umzugehen:

1.      Den Verstoss falls notwendig kurz und ruhig ansprechen.

«Schau das geht jetzt so nicht» so eine Aussage reicht bereits und ist sowieso in der Regel mehr dazu da, das Umfeld zu beruhigen, als das Kind selbst.

2.      Das Problemverhalten überbrücken

«Ich sehe, du bist gerade sehr wütend, aber wir kriegen das zusammen hin!» Hier zeigen wir dem Kind, dass wir auf seiner Seite sind, und dass sein Verhalten die Bindung nicht unterbrechen kann. So im Sinne von «Wir stehen das zusammen durch, komme was wolle».

3.      Versuchen, die Situation (NICHT das Kind!!!) zu ändern oder zu steuern.

Hier dürfen wir kreativ sein. Manchmal können wir den Überraschungseffekt nutzen und etwas Unerwartetes tun, oder wir können die Situation spielerisch entschärfen: «Oh, hörst du es auch?? Hörst du wie die Schuhe schrecklich weinen? Jaaa, die wollen eben endlich an deine Füsse, die armen Schuhe…»

4.      Termin zum Besprechen des Problems ansetzen

«Da sprechen wir dann am Abend (oder morgen, oder nächste Woche.) noch drüber. Für den Moment schauen wir, dass wir hier mal klarkommen.»

Dies gilt vor allem für ältere Kinder. Natürlich kann man auch mit Kleinkindern nochmal über eine Situation sprechen, aber dann nur ganz kurz.

Ich nutzte diesen Punkt auch oft, um das Umfeld zu beruhigen. Denn damit gab ich zu verstehen, dass ich das Fehlverhalten wahrgenommen habe und ernst nehme. Nicht immer gab es diese Nachbesprechung  auch wirklich. Sehr oft wissen die Kinder ja im Grunde ganz genau, wenn etwas nicht okay war.

 

5.      Die Situation so bald wie möglich beenden.

Bei Kleinkindern bedeutet das sehr oft, dass man wirklich unterbricht, nach Hause oder in den Garten geht, etc. Bei grösseren Kindern kann es auch einfach ein Themenwechsel oder ein «jetzt gehen wir mal alle ins Zimmer und beruhigen uns etwas».

 

Vielleicht denkst du jetzt «Ich will aber so eine Situation ausdiskutieren und klären». So ging es mir auch sehr lange. Doch wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass dieses «ausdiskutieren» in der Regel nicht das ist, was wir Erwachsene darunter verstehen. Bei kleineren Kindern haben wir das Gefühl, wir reden an eine Wand, und statt, dass es sich beruhigt, heizt es sich noch mehr auf und das Gebrüll wird lauter. Bei grösseren Kindern ist es (vielleicht) etwas zivilisierter, aber im Grunde genommen ähnlich. Ja und wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich sagen, dass ja nicht mal wir Erwachsenen immer in der Lage sind etwas emotional aufgeladenes konstruktiv auszudiskutieren. Auch uns würde es oft guttun, sich zuerst zu regulieren, «herunterzukommen» und dann vernünftig zu reden. Wie sehr viel brauchen das unsere (Klein)Kinder in Not?

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