Erziehen wie im Dschungel?

 
 

Kürzlich las ich auf einem Online-News-Portal einen Artikel über «Kindererziehung im Dschungel». In einem zweiten Artikel ging es darum, dass, laut einer Schweizer Erziehungsexpertin, unseren Kindern diese Erziehungsmethoden auch ganz guttun würden. «Dort (im Dschungel) dreht sich die Welt nicht um die Kinder».

Mahlzeiten würden nicht auf die Kinder abgestimmt und gespielt würde auch nicht mit ihnen. Vielmehr müssen sich die Kinder in diesen Regionen ganz einfach an das Leben ihrer Gemeinschaft anpassen.

Ein sehr komplexes Thema und ich würde mich hüten hier abschliessend zu sagen, dass unsere Kinder von diesen Methoden «enorm profitieren» können, wie es besagte Expertin ausdrückt.

Allerdings kam mir beim Lesen der beiden Artikel ein Erlebnis in den Sinn: Ich war bei einer jungen Familie zu Besuch. Nach der Begrüssung setzten sich alle Erwachsenen auf den Boden und spielten mit den Kindern, zuerst im Wohnzimmer, dann im Kinderzimmer. Zwischen Toniefiguren und Playmobiltieren versuchten wir Erwachsenen ein paar Worte zu wechseln. Sobald aus «ein paar Worte» jedoch 2,3 Sätze wurden, protestierte eines der Kinder und sagte, nie würde jemand mit ihm spielen, worauf wir wieder brav mitspielten.

Später, als wir dann doch noch mit einer Tasse Tee am Tisch sassen, konnte ich es mir nicht verkneifen, ein paar Fragen zu dieser Gepflogenheit zu stellen. Zu meinem Erstaunen war es für die jungen Eltern völlig normal, dass jeder (!) Besuch sich zuerst oder ausschliesslich mit ihnen und den Kindern auf den Boden setzt und man zusammen spielt. Allerdings fragten sie sich, ob es normal sei, dass ihr Kind immer wieder jammerte «niemand» würde mit ihm spielen, sobald die Erwachsenen ein Gespräch begannen.

Darauf entwickelte sich eine spannende Diskussion, bei der es nicht nur um die Situation mit dem Besuch ging, sondern ganz allgemein um den Umgang mit unseren Kindern und den Platz, den sie in der Familie einnehmen.

So darf es bei Besuch doch absolut sein, dass die Erwachsenen sich zuerst an den Tisch setzen, um etwas zu trinken und ein Gespräch zu führen. Wir sind ja längst nicht mehr in der Zeit, wo die Kinder dann «nichts zu melden haben.» Trotzdem dürfen sie auch erleben, dass die Erwachsenen eben «Erwachsenen-Besuch» haben und mit diesem dann das machen, was Erwachsene gerne tun: « Käffele» zum Beispiel.

Und wenn dann einer oder mehrere Erwachsene sich später auf den Boden setzt zum Spielen, darf das auch was besonderes sein.

So gesehen würde uns vielleicht ein bisschen «Dschungel-Erziehungsmentalität» guttun. Auch wenn man das nicht 1:1 übertragen kann auf unsere Gesellschaft, so denke ich doch, dass wir vielleicht auf der berühmten anderen Seite des Pferdes herunterfallen. Könnte es sein, dass unsere Kinder sehr viel im Mittelpunkt sind, dass sich unsere Welt schon sehr stark um die Kinder dreht und wir Erwachsenen uns ihnen anpassen in einem Masse, dass nicht nur gesund ist?

Und würden wir uns vielleicht als Eltern viel wohler und weniger oft überfordert fühlen, wenn wir hier zurück zum Mittelweg finden?

Und für unsere Kinder? Ich bin überzeugt, dass wenn Kinder sich geliebt und geborgen fühlen, sie überhaupt nicht ständig im Mittelpunkt sein müssen.

Ich mag mich gut erinnern, wie ich es liebte, wenn wir Besuch hatten. Dann sassen die Erwachsenen gemütlich im Wohnzimmer und ich spielte irgendwo für mich und genoss einfach die Stimmung… Und eines meiner Lieblingsspiele war es zu spielen, dass ich Besuch von einer Freundin bekommen würde und dass wir zusammen am Tisch sitzen und «käffele» würden, ganz richtig erwachsen

 
 
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