“Schau mir in die Augen, Kleines!”
Kürzlich sprach ich mit einer Mutter darüber, wie man mit Kindern am besten über heikle, aufgeladene oder auch verletzliche Themen spricht. Mein Rat: «Mach dies entweder auf einer Autofahrt oder während einer gemeinsamen Tätigkeit wie backen oder gärtnern. Hauptsache, ihr seid beschäftigt und müsst euch dabei nicht zwingend in die Augen schauen.»
Die Mutter war ziemlich erstaunt, sie dachte, gerade der Augenkontakt sei für tiefe Gespräche unerlässlich. Und tatsächlich ist diese Meinung weit verbreitet. Ich kann mich gut erinnern, wie meine Mama manchmal sagte: «Schau mich an!» Dann wusste ich, jetzt ist es ernst! Und ehrlich gesagt, habe ich das hin und wieder auch bei meinen Kindern gemacht.
Für manche Kinder ist dieser Augenkontakt auch kein Problem. Aber je sensibler ein Kind, desto schneller kann dieser intensive Kontakt überwältigend sein. Das Kind weicht dann aus, was von uns Erwachsenen nicht selten als respektlos gewertet wird. Manche Kinder entwickeln daraufhin als Schutzmassnahme den «leeren Blick». Sie schauen zwar in Richtung unserer Augen, man hat aber das Gefühl, der Blick geht nur bis zu einer unsichtbaren Wand zwischen uns.
Weil das (sensible) Kind in diesem Moment damit beschäftigt ist, den überwältigenden Augenkontakt auszublenden und sich gegen diese Nähe zu schützen, wird es wenig von dem, was wir zu sagen haben, aufnehmen. Was aus unserer Sicht natürlich auch nicht zielführend ist…
Dieser Kreislauf ist für beide Seiten frustrierend. Und um dem vorzubeugen gibt es verschiedene Wege.
Einen davon habe ich oben beschrieben: Gespräche nicht «gegenüber am Tisch» führen, sondern eher nebenbei, wenn beide etwas tun, oder, wie im Auto, geradeaus schauen. Ich habe tatsächlich mit allen Kindern die besten Gespräche im Auto geführt. Und dies nicht nur, wenn ich am Steuer sass, sondern später auch während der Lernfahrten, wenn es darum geht, dass der Fahrschüler Routine bekommt. Solche Lernfahrten sind eine wunderbare Möglichkeit, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Diese Chance sollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen!
Auch beim gemeinsamen Spazieren, wandern oder auch Velofahren sind Gespräche ohne dauernden Blickkontakt gut möglich. Dass wir bei diesen «Gesprächen nebenbei» auch jederzeit auf ein unverfängliches Thema wechseln können («oh, hast du den schönen Vogel da drüben gesehen?»), ist ein weiterer Vorteil. Mehr dazu im nächsten Blogbeitrag.
Ein anderer Weg ist jener über das Spiel. Wie im letzten Beitrag beschrieben, sind Handpuppen oder sprechende Kuscheltiere ein wunderbarer Weg ins Gespräch.
All diese Dinge machen bei allen Kindern Sinn und sind niemals falsch. Doch je sensibler ein Kind ist, desto mehr sollten wir darauf achten, dass wir sie mit zu viel oder zu intensivem (Augen)kontakt nicht überwältigen.